Leibniz Institut für Troposphärenforschung: Der Duft der Wälder – ein Risiko fürs Klima?

Leipzig, 13. Dezember 2023

#Pflanzen geben #Duftstoffe ab, um zum Beispiel miteinander zu kommunizieren, Fressfeinde abzuwehren oder auf veränderte Umweltbedingungen zu reagieren. Ein interdisziplinäres #Forschungsteam der #Universität #Leipzig, des #Leibniz #Instituts für Troposphärenforschung (#TROPOS) und des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (#IDIV) hat in einer Studie untersucht, wie die Artenvielfalt den Ausstoß dieser Stoffe beeinflusst. Erstmals konnte so gezeigt werden, dass artenreiche Wälder weniger von diesen Gasen in die Atmosphäre abgeben als Monokulturen. Bisher wurde angenommen, dass artenreiche Wälder mehr Emissionen abgeben.

Diese Annahme konnte das Leipziger Team jetzt experimentell widerlegen. Ihre Untersuchung ist in der Fachzeitschrift »Communications #Earth and #Environment« erschienen.

Pflanzendüfte wirken bis in die Atmosphäre

Pflanzen produzieren eine Vielzahl organischer Verbindungen, um miteinander und mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Dabei handelt es sich um so genannte biogene flüchtige organische Verbindungen (BVOCs), wie zum Beispiel Terpene, die den Pflanzen ihren charakteristischen Duft geben und bei der Abwehr von Schädlingen helfen. Diese Stoffe wirken nicht nur als chemische Signale, sondern spielen auch eine Rolle bei der Regulation des Klimas, der Luftqualität und der #Atmosphärenchemie. Denn aus diesen BVOCs, die die Pflanzen ausstoßen, entstehen in der Luft biogene sekundäre organische Aerosole (BSOAs), also Partikel in der Atmosphäre. Diese Aerosole haben wiederum Auswirkungen auf die Luftqualität, die Wolkenbildung und auf das Klima.

»MyDiv« Experiment: Messungen in Parzellen mit verschiedenen Baumarten

Doch wie verändern sich Ausstoß und Konzentration von Aerosolen in der Luft, wenn die Artenvielfalt abnimmt oder die Pflanzen durch Trockenheit in Stress geraten? Diesen Fragen ist das interdisziplinäre Team um die Wissenschaftler:innen Dr. Anvar Sanaei und Prof. Dr. Alexandra Weigelt von der Universität Leipzig sowie weitere Forscher des TROPOS und des iDiv nachgegangen. Die passenden Daten haben die Wissenschaftler auf der »MyDiv« Versuchsfläche für Baumvielfalt gewonnen. Auf der rund 2 Hektar großen Fläche bei Bad Lauchstädt in Sachsen Anhalt wachsen auf 80 Parzellen 10 Baumarten in Monokulturen oder unterschiedlich artenreichen Mischungen zusammen. Für die Studie nahm das Team knapp zwei Wochen lang Luftproben aus 10 der 11 mal 11 Meter großen Parzellen, auf denen 4 Baumarten (#Vogelbeere, #Vogelkirsche, #Gemeine #Esche und #Bergahorn) in unterschiedlichen Kombinationen wachsen.

Weniger Pflanzendüfte, weniger Risiken

»Vor Ort haben wir BVOC und BSOA Verbindungen in zehn Parzellen mit unterschiedlicher Baumvielfalt gemessen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Menge der BVOC in den meisten Fällen bei höherer #Biodiversität abnimmt«, sagt Dr. Anvar Sanaei, Erstautor der Studie und Postdoktorand am Institut für Biologie der Universität Leipzig. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die globalen BVOC Emissionen aus der Vegetation durch den #Klimawandel und höhere #Temperaturen um etwa 1 Drittel erhöhen werden. »Damit sind große Unsicherheiten verbunden: Aus diesen Vorläufergasen können sich Partikel bilden, die wiederum zu Wolkentropfen werden können. Ob die BVOCs dann am Ende die Atmosphäre eher kühlen oder eher erwärmen, hängt von sehr vielen Faktoren ab und ist schwer vorherzusagen. Mehr Artenvielfalt und weniger BVOCs würden aber die Veränderungen in der Atmosphäre verringern und damit auch die Risiken des Klimawandels – einschließlich veränderten Niederschlägen«, fügt Prof. Dr. Hartmut Herrmann vom TROPOS hinzu. Wie schwer es ist, diese komplexen Prozesse im Freiland zu untersuchen, zeigt der zweite Teil der Studie: Für biogene sekundäre organische #Aerosole (BSOA) konnte das Team keine eindeutigen Zusammenhänge feststellen, was unter anderem an den Einflüssen aus der Umgebung liegen könnte, denn die Umwandlung der BVOC Gase in die BSOA Partikel dauert eine gewisse Zeit. Mit knapp 2 Wochen war die Messkampagne außerdem vergleichsweise kurz. Das Team will die Untersuchungen daher fortsetzen – auch weil viele Fragen noch offen sind.

Mehr Stress, mehr Pflanzendüfte?

Bisher wurde angenommen, dass artenreiche Wälder und Wiesen mehr gasförmige Stoffe an die Atmosphäre abgeben als artenarme. Als Ursache wurde vermutet, dass artenreiche Systeme mehr Biomasse produzieren, weil sie Ressourcen wie Licht, Wasser und Nährstoffe effizienter nutzen können. Mehr Biomasse bedeutet dann auch mehr Blattoberfläche, von denen die Gase abgegeben werden können. »Unsere neuen Ergebnisse sprechen aber eher dafür, dass es daran liegen könnte, dass die Pflanzen in artenreichen Wäldern und Wiesen weniger Stress haben. Sie leiden unter weniger Fressfeinden, weniger Hitze oder Trockenheit als in Monokulturen. Aber das ist bisher nur eine Hypothese. Um besser zu verstehen, wie die #Biodiversität die #Atmosphäre beeinflusst, sind viele weitere Untersuchungen nötig, bei denen wir uns das #Mikroklima, den oberirdischen und unterirdischen #Stress für die Pflanzen und viele andere Faktoren genauer per Langzeitexperiment ansehen müssen«, erklärt Prof. Dr. Nico Eisenhauer vom iDiv. 

Biologie plus Klimaforschung plus #Chemie gleich »Team Zukunft«

Das Besondere an der Studie ist, dass verschiedene Disziplinen hier zusammengearbeitet haben und atmosphärische und biologische Messungen kombiniert wurden. »Nur mit dem Wissen aus Biologie, Klimaforschung und Atmosphärenchemie können wir entschlüsseln, wie die Emissionen von Pflanzen mit der Biodiversität und der Atmosphäre zusammenhängen. Unsere Studie unterstreicht die Notwendigkeit von Experimenten auf lokaler und regionaler Ebene sowie die Entwicklung von Modellen, um unser Verständnis der Biosphäre Atmosphäre Wechselwirkungen zu verbessern«, sagt Studien Letztautorin Prof. Dr. Alexandra Weigelt vom Institut für Biologie. Zudem sei es ein Paradebeispiel für das Forschungsvorhaben »Breathing Nature«, für das die Universität im Mai eine Skizze im Rahmen der Exzellenzstrategie eingereicht hat. Denn über die Fächer und Institutionsgrenzen hinweg, könnten Antworten auf drängende Fragen unserer Zeit gefunden werden.